Mein erster Roman erzählt von den Schwestern Bess, Sandy, ihrer Großmutter und einem Familiengeheimnis, das unter anderem mit der verstorbenen Mutter der beiden Schwestern zu tun hat. Vielfach ist dieses Buch als Krimi wahrgenommen worden, obwohl es keine ermittelnden Kommissare gibt. Das war für mich zunächst überraschend. Aber mittlerweile habe ich mich an den Gedanken gewöhnt, dass ich wohl tatsächlich so etwas wie einen Kriminalfall in meinen Roman eingebaut habe. Mehr wird nicht verraten.
Es ist nichts geschehen ist ein Roman mit mächtigem Thema; es geht um Traumatisierungen, die über Generationen weiter gegeben werden – und um die Wirkung auf die Nachgeborenen. Selma Mahlknecht meistert dieses Thema auf grandiose Weise, und sie erweist sich dabei als beeindruckendes Erzähltalent. Klug jongliert sie mit Mustern des Krimis, geschickt mischt sie poetische Momentaufnahmen mit lakonischen Berichten sowie Passagen psychiatrischer Schwere mit solchen erzählerischer Leichtigkeit. Atemberaubend, wie sie dabei mit verschiedenen Erzählperspektiven und Zeitebenen hantiert. Am Ende ergibt sich aus vielen Sprengseln ein kompaktes Ganzes. Keine Frage, hier in Südtirol, bei Selma Mahlknecht, bei einem überregional wenig bekannten Verlag namens Edition Raetia, werden Mainstream-müde Leser munter: Es ist nichts geschehen ist eine RICHTIG GUTE Geschichte.
Ulrich Noller, Deutsche Welle