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Alles begann in Nigeria. Der ehemalige Außenminister Dr. Gdungu Mondwiwallu wollte sein Vermögen von 36 Millionen Dollar außer Landes bringen und dafür auf ein ausländisches Zwischenkonto transferieren. Aber auf welches? Natürlich auf meines! Sein Rechtsanwalt schrieb mir eine Nachricht per E-Mail. Was für ein Glück, dass er ausgerechnet mich ausgesucht hat. Ich habe Verständnis und bin hilfsbereit. Das muss sich bis nach Nigeria herumgesprochen haben. Und es ist ja sehr nett, dass ich für meine Hilfe 5 Prozent Provision erhalten soll. 5 Prozent von 36 Millionen, so ganz schnell kann ich das jetzt nicht ausrechnen, das ist aber doch ein ganz schöner Batzen Geld. Da kann ich auch im Vorfeld ein paar hundert Euro für die Kosten gewisser bürokratischer Abwicklungen vorstrecken. Oder halt ein paar tausend. Komisch nur, dass nach der letzten Überweisung (immer hochseriös, die Briefköpfe waren voller Wappen, Siegel und seltsamer Abkürzungen, alles wurde detailliert quittiert und abgerechnet) keine Nachricht mehr gekommen ist. Wahrscheinlich steckt meine Provision noch irgendwo im Datenstau. Nigeria ist eben ein weit entferntes Land. Da funktioniert nicht alles so reibungslos. Aber ich hab jetzt sowieso keinen Kopf dafür. Ein entfernter Verwandter ist aufgetaucht. Der Sohn eines Cousins der Schwägerin meines Großvaters. Ein netter Mensch. So aufmerksam. Bei seinem ersten Besuch brachte er Blumen mit. Dann erzählte er mir von seinem Leben. Was er schon alles mitgemacht hat! Krankheit, Verfolgung, Schicksalsschläge. Und dabei immer so nett und bescheiden. Fast wollte er meine Hilfe nicht annehmen. Sagte ständig, das sei doch gar nicht nötig. Oder wenn, dann nur ein bisschen. Das Kuvert mit den 1500 Euro hat er dann aber doch ganz schnell eingesteckt. Er braucht es eben so dringend, der Arme. Dafür kommt er aber immer wieder zu mir. Hab’s noch gar nicht geschafft, in der Verwandtschaft herumzufragen, wie genau jetzt diese Blutlinie verläuft. Dabei bin ich auch sonst ein sehr sozialer Mensch. Ich lass niemanden im Regen stehen. Wir leben aber auch in schlimmen Zeiten, heutzutage. Erst neulich haben mich zwei Frauen auf offener Straße angesprochen. Sie seien verzweifelt. Ihre Vermieterin verlange sofort die Miete von ihnen. Sonst werde sie sie auf die Straße werfen. Sie hätten jetzt aber kein Geld zur Hand. Daher müssten sie nun wildfremde Leute ansprechen und auf ihre Hilfe hoffen. Ich war gerührt, dass die beiden Frauen sich dabei gerade an mich gewandt haben. Dann erfuhr ich noch, dass die sieben Kinder der beiden von der Vermieterin als Geiseln gehalten werden. Fünf der sieben Kinder sind auch noch krank und brauchen teure Medikamente! Ein Skandal. Und das in einem Rechtsstaat wie dem unseren. Ich habe gleich mein Scheckbuch gezückt. Mittlerweile bin ich zwar selbst auch schon langsam in den roten Zahlen. Aber ich habe schon einen Ausweg. Vor wenigen Tagen hat mich eine freundliche Dame von der Niederrheingauer Klassenlotterie kontaktiert. Was es nicht alles gibt! Ich hatte noch nie davon gehört. Da war ich dann ganz froh, als mir die Dame erklärt hat, dass diese Lotterie eine ungewöhnlich hohe Gewinnstatistik hat. Wenn ich dann noch ein Premium-Los zu 95 Euro kaufe, bin ich ein halbes Jahr lang bei jeder Ziehung dabei. Da stehen die Chancen wirklich nicht mehr schlecht. Außerdem kauf ich mir jeden Tag ein Rubbellos. Hab auch schon was gewonnen. 25 Euro. Das heißt, wenn ich ab jetzt zwei Monate lang jeden Tag 25 Euro gewinne, dann hab ich auch schon fast wieder die Kosten drin, die mir die Rubbellose bisher beschert haben. Unrealistisch? Ich bitte Sie! Ich bin ein Mensch, der an die Glückssträhne glaubt. Irgendwer muss ja schließlich auch mal absahnen. Warum nicht ich? Pechsträhnen hab ich immerhin auch schon jede Menge gehabt. Wenn es eine Gerechtigkeit in der Welt gibt, dann bin ich jetzt endlich auch mal dran. Und die Anzeichen häufen sich. Täglich quillt meine Mailbox von Gewinnchancen über, ständig locken Angebote, mein Leben grundlegend zu verändern. Nicht nur, dass ich mit den neuesten Schlankheitsmitteln völlig mühelos zur Traumfigur gelangen kann, auch meine Libido kann per Tablette auf Trab gebracht werden. Außerdem erhalte ich immer wieder beglückende Powerpointpräsentationen mit wunderbaren Naturaufnahmen und schönen Texten, die ich nur an 15 Freunde weiterzuleiten brauche, damit mir ein Wunsch erfüllt wird. Das hat bei anderen schon geklappt, zum Beispiel bei Suri Sri Lokopetli. Ich kenne Suri nicht persönlich, weiß aber, dass sie nach einem intensiven Wunsch ein traumhaftes Jobangebot bekommen hat. Das wäre auch für mich genau das Richtige, da sich doch die hochwertigen Porzellanpuppen, die ich in den letzten zehn Jahren per Abonnement gekauft habe, als eher lästige Staubfänger herausgestellt haben, die ich entgegen anfänglicher Versprechen doch nicht teuer weiterverkaufen konnte. Statt mir die Puppen aus der Hand zu reißen, haben mir die Leute die Tür vor der Nase zugeschlagen. Verstehe gar nicht, warum die Menschen so misstrauisch sind. Was ist denn das für ein Leben, wenn man immer alles kritisch hinterfragt und anzweifelt? Die, die zu etwas kommen wollen, müssen halt auch mal was riskieren und investieren. Da gibt es zahlreiche Erfolgsbeispiele. Mir fällt zwar jetzt grade keines ein, aber trotzdem ist mir klar, dass man keine Gelegenheit auslassen darf. Sagt auch meine Hellseherin, die mir einmal im Monat die Karten legt. Pluto geht vom zweiten ins dritte Haus. Das bedeutet eine Wende. Und möglicherweise Reichtum. Ich muss jetzt nur dranbleiben! Und wenn ich dann im Grand Hotel in St. Moritz einchecke, werden die, die mich jetzt belächeln, endlich verstummen. Aber jetzt muss ich hier Schluss machen. Ich muss noch ein paar Mitspieler für ein Pyramidenspiel anwerben. Eine todsichere Sache. Je weiter man dort aufsteigt, desto reicher wird man. Vielleicht sind ja auch Sie interessiert? Oder haben Sie nur wegen des versprochenen Ferraris bis hierher mitgelesen? Dann hab ich jetzt eine gute Nachricht für Sie! Der Ferrari ist nur zwei Mausklicks von Ihnen entfernt. Gehen Sie auf die Homepage www.wersglaubtwirdselig.com und geben Sie dort diesen Code ein: mundus vult decipi. Das ist übrigens lateinisch und bedeutet: Die Welt will betrogen sein. Wie die wohl ausgerechnet auf diesen Code gekommen sind? Ich jedenfalls bin wieder vorne mit dabei. Wir sehen uns dann bei der Preisverleihung!