Cowboy, Indianer, Hexe, Prinzessin, - haben Sie sich schon für Ihr Faschingskostüm entschieden? Ich mich schon. Ich geh als Star.
Wie verkleidet man sich als Star? Eine knifflige Frage. Die mögliche Antwort: Hauptsache teuer. Von der Gucci-Brille über die Dolce & Gabbana-Bluse bis zu den Manolo Blahnik-Pumps und der Louis Vuitton-Handtasche muss alles vom Feinsten sein. Das Problem: Wenn man sich so verkleidet hat, dann wird man unter Umständen nicht für einen Star gehalten, sondern für einen Millionär. Und das wäre schlimm. Einfach nur reich sein kann ja jeder. Aber ein Star … Da gehört mehr dazu. Eine Ganzkörper-Camouflage aus Rohschinken zum Beispiel. Dunkelhellviolette Haare mit echtem Diamantenstaub. Und mindestens ein unanständiges Tattoo an einer auffälligen Stelle (oder ein auffälliges Tattoo an einer unanständigen Stelle, aber dann braucht man auch eine entsprechende PR-Arbeit). Doch auch da ist noch nicht gesichert, dass man auch wirklich als Star erkannt wird. Es gibt ja auch genug Stars, die den Versiffte-Hausfrauen-Schmuddellook zur Schau tragen. Also weiter: Ein Star muss etwas Außergewöhnliches zu bieten haben. Skandale beispielsweise. Eine Drogenkarriere. Spielschulden, Gefängnisaufenthalte oder eine Vergangenheit im Porno-Business. Auch das alles jedoch ist noch nicht genug. Ein Star muss vor allem öffentlich präsent sein. Wer auf seinem Weg von der Haustür bis zum Zeitungskiosk am Eck nicht von einem Dutzend Paparazzi belagert wird, hat es noch nicht geschafft. Ein Star ist man erst, wenn man von jedem auf Anhieb erkannt und dumm angelabert wird. Mit Stars ist man prinzipiell per Du. Schließlich hat man sie fast täglich bei sich im Wohnzimmer. Zwar nur über den Fernsehschirm, aber doch ist da das Gefühl: „Die gehören irgendwie zu uns.“
Dabei gibt es mittlerweile aber eine recht interessante Entwicklung. Früher waren Stars Menschen, zu denen man irgendwie aufgeschaut hat. Eine Audrey Hepburn, einen Cary Grant, eine Edit Piaf oder einen Miles Davis konnte man noch bewundern. Das hat zum guten Teil auch ihren Star-Ruhm ausgemacht. Wir wussten: Diese Menschen haben uns etwas voraus. Das hat sich gehörig verändert, seit wir gesehen haben, wie Wegwerf-Stars am Fließband fabriziert werden. Wenn Deutschland den Superstar sucht, dann kommen die grusligsten Schauergestalten aus ihren finsteren Löchern. Wenn man aus solchem Material ernsthaft Stars, und dann noch sogar Superstars, bauen kann, dann gibt es für den Zuschauer nur zwei mögliche Reaktionen: entweder, er beginnt, ernsthaft an der Menschheit zu zweifeln. Oder er denkt sich: Das will ich auch. Ist doch nichts dabei. „Superstar“ soll ja angeblich den klassischen Berufswünschen von Kindern längst den Rang abgelaufen haben. Wer träumt noch davon, Astronaut zu werden, wenn der Weg zum Star so viel einfacher einzuschlagen ist? Der Superstar muss ja, und das ist das Tolle, zunächst mal überhaupt nichts können. Er muss nur sein. Natürlich ist es auch eine Herausforderung, sich möglichst durchgeknallt zu gebärden. Aber es gibt Schlimmeres. Matheaufgaben zum Beispiel. Allerdings bringt der offenbar so leicht zu erringenden Star-Ruhm, wie flüchtig er auch sein mag, einen ordentlichen Wermutstropfen mit sich: Freute man sich früher über Stars zum Anfassen, so sind die meisten heutigen „Stars“ mittlerweile zu „Stars zum Drauftreten“ hinabgesunken. In entwürdigenden Dschungelcamps oder drögen Kochsendungen machen sie sich zum Affen, werden in drittklassigen Unterhaltungsshows herumgereicht, in denen sie keine Peinlichkeit auslassen dürfen, sie posieren für demütigende Fotostrecken und breiten selbst ihre intimsten Angelegenheiten vor laufender Kamera aus. Wir wissen alle ekligen Details über sie: wann sie sich mit wem in welcher Pose welche Geschlechtskrankheit eingefangen haben, welcher Scharlatan ihnen aus dem Kaffeesatz liest oder den Durchfall kuriert und welches schreckliche Geheimnis sie seit Jahren vor ihrer eigenen Mutter verstecken. Nur eines wissen wir nicht mit Sicherheit: Was sie eigentlich genau geleistet haben, um Stars zu werden. Noch nämlich hält sich hartnäckig das Gerücht, man müsse auch irgendwas leisten, um ganz nach oben zu kommen. Freilich ließe sich nun darüber streiten, ob die Position dieser „Stars“ wirklich „oben“ ist. Dennoch glauben wir fest, dass die, die sich im Dschungel in eine Badewanne voller krabbelnder Käfer legen, früher auch mal was Außergewöhnliches vollbracht haben, das sie nun zu dieser prominenten Position privilegiert. Lieder singen zum Beispiel. Filme drehen. Oder einfach nur mit den richtigen Leuten ins Bett gehen. All das sehen wir durchaus als Rechtfertigungen für die gesellschaftliche Sonderposition an, die Stars einnehmen. Wir erwarten uns, dass ihr Leben in irgendeiner Form aufwendiger, ihr Schaffen anspruchsvoller, ihr Können größer ist als unseres. Dann zollen wir ihnen Respekt, gönnen ihnen ihre traumhaften Villen, ihre exorbitanten Gagen, ihr Bad im Blitzlichtgewitter. Seit aber jeder noch so talentfreie Nasenbohrer seine fünfeinhalb Minuten Ruhm genießen kann, wenn er sich nur publikumswirksam genug bis auf die Knochen blamiert, ist unser Respekt geschwunden. Wir beginnen uns zu fragen, was diese Stars wirklich wert sind. Wir halten sie für Knallchargen, für ahnungslose Marionetten, deren Fäden von unsichtbaren Mächten gezogen werden, die uns verdächtig erscheinen. Wir haben manchmal sogar so etwas wie Mitleid mit ihnen, weil sie sich auf ein dermaßen dreckiges Geschäft eingelassen haben. Das Showbiz ist irgendwie unanständig, das ist uns klar. Wer es dort schafft, schafft es nicht mit sauberen Mitteln. Die „Guten“ fallen durch den Rost oder wollen sich gar nicht erst die Hände schmutzig machen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Nur die Nicht-Stars sind taugliche Vorbilder, jene, die sich dem Rampenlicht, dem Rummel und der Raserei entziehen. Mit ihnen ist man per Sie, ihnen kann man ohne Argwohn Wertschätzung entgegenbringen, ihnen gönnt man, was sie sich erarbeitet haben.
In diesen Wochen, in denen kaum ein Tag ohne neue Polemiken um Politikergehälter vergeht, frage ich mich, ob die breite Diskussion, die auf allen Ebenen stattfindet, auch damit zusammenhängt, dass die Politik zum Showgeschäft verkommen ist. Tatsächlich gibt es einige Kandidaten, denen ich es durchaus zutrauen würde, Mehlwürmer zu essen, nur, um beim schenkelklopfenden Wahlvolk anzukommen. Und es ist ja auch schon in der Vergangenheit mehr als einmal geschehen, dass Menschen aus dem einen ins andere Business gewechselt sind. Ronald Reagan, Arnold Schwarzenegger, aber auch Cicciolina oder Dolly Buster sind nur einige der bekanntesten Beispiele. Ist der Schritt von der Showbühne aufs politische Parkett am Ende gar kein so großer? Reicht es, seinen Text zu lernen und siegessicher in die Kamera zu winken? Ist es das, was der Wähler will? Wenn ja, dann sollte ich mir das mit meinem Faschingsauftritt als Star noch einmal überlegen. Nicht, dass ich mich am Aschermittwoch plötzlich in Amt und Würden finde.