Lyrik

 

Lyrik

 



sie haben nichts

übriggelassen keinen satz

nicht einmal ein wort

alles schon da tausendmal

gesagt mit besseren und

schlechteren worten geflügelt

und hinkefüßig vergleiche

an jedem erdenklichen haar

herbeigezogen gestammel

und göttliches und jede

nuance dazwischen nichts

ausgelassen kein platz

mehr frei also was

tu ich da überhaupt noch

an diesem gewaltigen turm

zu babel aus goethe

und montale und

talktalktalk ich spitze

meinen bleistift für die

einzige botschaft die

mir bleibt ein schäbiger

graffito hingekritzelt

selma was here




tröstlich


es ist einfach

haben sie gesagt


es ist einfach

der anfang

und der ist

schwer




januar


des winters höhen

klamm erklommen

eine flocke im pelz

der zahnlosen rauhnacht


väterchen frost tanzt

mit klirrenden beinen

stampft sterne ins gras

der närrische greis


gestern ein trinklied

von abschied und hoffnung

noch ein schluck tod

hinunter das jahr


heute am wegkreuz

nur eine richtung

das jahr hinauf

kein neuanfang



april


mach dich auf

mit himmelsschlüsseln

sperr die löwenmäulchen auf


trink abschied aus

den märzenbechern

kein kelch darf jetzt

vorüberziehn


treib gänseblümchen

auf den rasen

es ist zeit

für übermut


lass den löwenzahn

scharf sein

und die veilchen

blauäugig


glaub an dich

wie an ein wunder

du bist’s




der droste


die form wahren heißt auch

den würgekragen zurechtrücken

dünnhäutiges porzellan zerschlagen

milchweiße hoffnungsscherben

zerstreuen jeglichen verdacht

ausräumen den giftschrank

bestücken mit stolz und

trotz allem widerstehen


auch dem glück einer schwäche

nachgeben bedeutet verlieren

was gewiss war: der ruf

vor dem fenster lass dein haar

flattern im winde rapunzel

gralshüterin traumstammlerin

von den durchgeistigten jahren

gilbende blätter alles was bleibt


wortwalle angehäuft gegen die welt

umsonst der fluchtpunkt am ende

der zeile kein heil abgerungen dem reim

eine wahrheit nur abgehorcht

den dumpfen flügelschlägen des herzens

verschreckte flatterkrähe im dunkeln

blubbern die seelensümpfe schaurig

ist’s übers moor zu gehen





der igel


ich habe aufgerüstet

an rinden und steinen

die stacheln geschärft.

jetzt, fuchs, komm.

sprach’s und schüttelte

stolz den staub

aus dem fell.

hob die glänzende nase.

trat vergnügt auf den

asphalt hinaus.


friedensheld plattgewalzt.




Das Niemandbeiß


Ich Niemandbeiß bin  klein und friedlich,

manche würden sagen: niedlich,

wenn ich dasteh weiß und blau

und harmlos nach den Wolken schau.

Ich blühe meistens unerkannt

am Wiesen-, Waldes-, Wegesrand.

Mein Name ist für mich Programm:

Wenn jemand kommt, so steh ich stramm

und zeige freundlich mein Gesicht

und schade keiner Seele nicht.

So bin ich allgemein beliebt,

weil’s keinen gibt, den ich betrübt.

Ich zeige meine Zähnchen nur

als seltnes Schauspiel der Natur.

Auf eines aber weis ich hin:

Wenn Niemand kommt, dann beiß ich ihn.




Kränzel und Schnösel

(ein Kinderlied zum Mitsingen)


Kränzel und Schnösel verwirrten sich im Bald.

Er war so münster und sie so zitteralt.

Sie nahmen an ein Mäuschen im Wetterbuchenschein,

Wie mag die Schurwoll von diesem Mäuschen sein?


Huhu, da kaut eine kalte Echs die Maus,

sie schockt die Finder mit ritterlichem Schmaus,

sie bellte sichtbar bräunlich, o Kränzel, werde rot!

Hin fiel der Spaten im Bodensaum wie tot.


Doch als die Echse zerworfen Braut und Stein

wirbt sie mit Rosen ums prüde Schnöselein.

Der Klecks rußt nun am Spaten,

die Blinden sehn die Maus,

Huhn pickt am Ärschchen und schwänzelt den Bürzel aus.




gedicht für waldi


sturmtief steigt stetig gestammelt

rammt hammelfett triefend

fliegenden viehgraupeltauben

entgegen geduckt ging gudrun den guttural

gurrenden gurgeln am weltrand tappt in das

näpfchen des totenkopfblütlers der blutrote

schleifenspinner sitzt sinnend im binnenseejoch der

doldenbootkelche hochgeschaukelt

das mauscheln der plaudertaschen

leer wie friedels fiedelsaiten

vor dem geigenkasten knarzt auf seiner

radikal stranösen stradivari waldi

bis der würstelbudenmann ihn fortstanzt





An ***


Hab versucht dich zu fassen –

du entkamst meinem Schreiben.

Hab’s wieder gelassen –

sollst unfassbar bleiben.

 

eine kleine Blütenlese unveröffentlichter Gedichte von ernst bis gar schröcklich

 
 

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