Wieder ist ein Schuljahr zu Ende gegangen – und was für eins! Die Schulreform und die Diskussion um die 5-Tage-Woche mit ihren nicht enden wollenden Leserbriefschlachten haben das Land in Atem gehalten. Irgendwie wollte jeder mitreden, jeder hatte Ideen und wusste es besser. Und ich war mitten drin. Als Klassenlehrerin einer reformierten Klasse habe ich die Schulreform hautnah zu spüren bekommen, und weil die Klasse zugleich auch noch im nagelneuen Schulgebäude untergebracht war, in dem dank einer vollverglasten Seitenwand bei 20 Grad Außentemperatur 28 Grad Innentemperatur herrschten (den Rest können Sie sich hochrechnen), bin ich gleich in doppelter Hinsicht ordentlich ins Schwitzen gekommen. Meine Schülerinnen und Schüler übrigens ebenfalls. Und weil es ja sonst auch jeder darf, möchte ich am Ende dieser Erfahrung nun auch meine Vorschläge für eine Verbesserung der Situation einbringen. Eins hat dieses Schuljahr nämlich deutlich gezeigt: So ist das alles nur eine halbe Sache.
Zunächst einmal gibt es immer noch viel zu viele Schulen. Löblicherweise hat man ja begonnen, Schulen zu fusionieren wie Banken, Lebensmittelkonzerne oder Automobilhersteller. Schließlich ist ja egal, ob eine Schule kommunistisches Gymnasium, neoliberale Fachoberschule oder eurythmischer Spielkreis heißt, Hauptsache, sie produziert Maturanten – irgendwelche Maturanten (aber dazu noch etwas ganz am Schluss). Da erfahrungsgemäß schon eine Schule mit nur 1.000 Schülern und 150 Lehrern zu völliger Unübersichtlichkeit, Chaos und Frustration führt, kann man das gleich auszunutzen und die Kapazitäten verdoppeln. Ab 2.000 Schülern und 300 Lehrern steigen Unübersichtlichkeit, Chaos und Frustration nämlich nicht mehr so stark und nivellieren sich dann auf dem höchsten Niveau. Die Konsequenz muss daher lauten: Ganz Südtirol zu einem einzigen gigantischen Schulsprengel fusionieren. Gemeinsame Schülerveranstaltungen können ohnehin nicht mehr stattfinden (die Schulaulen mit Platz für 300 Schülern nutzt man höchstens noch für Schularbeiten), und für die Plenarkonferenzen der Lehrerschaft kann man gleich das Drususstadion anmieten, das in nächster Zeit ja ohnehin verfügbar wird. Und apropos Konferenzen: Auch hierin steckt noch viel Potential. Es gibt nichts Schöneres, als in seiner Freizeit (von der Lehrer bekanntlich viel zu viel haben) zusammenzukommen, um stundenlang über die spannenden neuesten Entwicklungen informiert zu werden. Konferenzen werden nicht eigens bezahlt, sie gehören zum Arbeitspensum einfach dazu, egal, ob es sich um 3, 10, oder 30 handelt. Wenn man also jede Woche eine Konferenz machen würde, würde das nicht mehr kosten, als wenn man nur eine im Jahr macht. Hier gibt es also noch viel Spielraum für noch mehr Beschlüsse, die am Ende niemanden interessieren. Aber um Effizienz geht es ja nicht, sondern um Korrektheit und um penibelste, transparenteste Nachvollziehbarkeit eines jeden Schrittes, der in Schulen getan wird. Hier habe ich gleich zwei bahnbrechende Vorschläge: Erstens sollte künftig jedes Formular nicht nur von Lehrern und Direktor mehrmals gegengezeichnet werden, wie es jetzt schon der Fall ist, sondern auch von Schülervertretern, Elternvertretern und mindestens einem Mitglied des nichtunterrichtenden Personals. Erst, wenn alle ihr „nulla osta“ geben, dürfen künftig Schüler zur Toilette gehen, Lehrer sich die Nase putzen oder Schuldienerinnen den Boden wischen. Sonst läuft ja alles aus dem Ruder wie damals, in den frühen 90er Jahren, bevor die Schule beim Land war. Gut, dass man den unhaltbaren Zuständen ein Ende bereitet hat. Damals hat ja jeder getan, was er wollte. Damit das nie mehr passieren kann, folgt nun mein bahnbrechender Vorschlag Nummer zwei: Überwachungskameras im ganzen Schulgebäude. Jede Unterrichtsstunde wird mitgefilmt und kann jederzeit als Life-Stream über eine Internetseite aufgerufen werden. So wissen Eltern, Vorgesetzte oder auch einfach jeder Interessierte jederzeit, was gerade in der 3ZW los ist. Und auch den Lehrern ist geholfen. Derzeit sollen sie ja gleichzeitig unterrichten und für jeden einzelnen Schüler Kompetenzraster ausfüllen. Bisher ist immer eins von beiden auf der Strecke geblieben – im besseren Fall das Unterrichten, denn darauf kann getrost verzichtet werden, solange alle Protokolle richtig ausgefüllt sind. Wenn dann aber endlich mitgefilmt wird, kann der Lehrer zuerst unterrichten und dann zu Hause in Ruhe seine soeben gehaltene Stunde noch einmal anschauen und dann sich selbst und jeden einzelnen Schüler analysieren. Die Nachbereitung der Lektionen dauert dann zwar viermal so lange wie die Lektion selbst, kann aber problemlos mit der 10-Minuten-Regelung ausgeglichen werden, mit der man schon jetzt alle Extra-Arbeiten ausgleicht – man kann das alles also haben, ohne zusätzliches Geld bezahlen zu müssen! Auch würde das Mitfilmen für das neue Lehrerregister ungeahnte Möglichkeiten bringen. Pro Schüler gäbe es Stunden über Stunden von Filmmaterial, das der Lehrer auswerten und zu einem knackigen Trailer der besten Szenen zusammenfügen kann (eine entsprechende Fortbildung kann in den Sommermonaten angeboten werden, wo der Lehrer bekanntlich viel zu lange Ferien hat). So werden Elternsprechtage zu multimedialen Großereignissen – und da ja alle Schüler in einer Schule zusammengefasst wären, wäre der Elternsprechtag gleichzeitig ein Feiertag für das ganze Land. Nur so klappt es wirklich mit der Vereinheitlichung des Schulkalenders. Und wo wir schon beim Thema sind: Der Schritt zur 5-Tage-Woche ist zwar ein mutiger, aber auch da ist nicht konsequent zu Ende gedacht worden. Schüler sollen nicht nur ganztägig in der Schule sein, sondern auch ganzjährig. Das heißt, Ferien, die über mehrere Wochen gehen, sollten gefälligst abgeschafft werden. Sonst müssen sich ja wieder die Eltern mit ihren Kindern herumschlagen, was in der heutigen Zeit einfach nicht mehr drin ist. Daher: 5-Tage-Woche und 50-Wochen-Schule. Nur so kriegt man die Kinder weg von der Straße. Damit der lange Verbleib in der Schule jedoch nicht zur frustrierenden Tretmühle wird, wird eine neue Losung ausgegeben. Bisher sollen ja bekanntlich im Widerspruch zum italienischen Notensystem keine Noten unter vier gegeben werden, ich aber plädiere für eine noch viel humanitärere Lösung: keine Note unter acht! Erstens ist dann kein Schüler mehr vom Lehrer enttäuscht, zweitens können wir dann mit strahlenden Ergebnissen nach außen treten und drittens bleibt uns viel bürokratischer Aufwand erspart. Bereits jetzt wenden manche Lehrer diese geniale Methode an, wodurch sie erstens für besonders fähig gehalten, zweitens von ihren Schülern geliebt, von den Eltern geachtet und von keiner Seite drangsaliert werden. Niemand muss positive Noten rechtfertigen, auch nicht, wenn sie keine Entsprechung in der Realität haben, während die negative Noten zum Spießrutenlauf zwischen rabiaten Eltern, zähneknirschenden Direktoren und nicht enden wollenden Aktenbergen führen. Neben der Abschaffung aller Noten unter acht würde ich aber auch noch ein paar zusätzliche Kompetenzen einführen, um den kompetenzorientierten Unterricht zu verfeinern. Schüler isst während des Unterrichts sein Pausenbrot: Lebensmittelkompetenz. Schüler bohrt in der Nase: Hygienekompetenz. Schüler zwickt Banknachbarn: Selbstbehauptungskompetenz. Am Ende haben wir nicht nur Schüler mit brillanten Noten in den einzelnen Fächern, sondern auch mit einer weiten Palette von Kompetenzen, von denen wir früher nur geträumt haben. Zum Schluss bleiben nur noch zwei Schritte: erstens die gänzliche Abschaffung der Fixanstellung für Lehrer. Hier sind ja bereits einige Weichen in die richtige Richtung gestellt worden. Ich weiß, wovon ich spreche. Als langjährige Supplentin habe ich die ständige Existenzangst zu schätzen gelernt. Man bleibt wachsam und äußert keine Meinungen, die einen unbeliebt machen könnten. Ob man fachlich was drauf hat, ist ja bekanntlich kein Kriterium – kuschen ist erste Bürgerpflicht.
Und als allerletztes, sozusagen als Krönung, bleibt konsequenterweise nur noch eines: die Abschaffung der Matura. Diese ist nämlich ein ständiges Ärgernis. Verschiedene Schulen handhaben sie unterschiedlich, weswegen schon Mittelschulabgänger sich teilweise für jene Schule entscheiden, in der man mit weniger Aufwand mehr Punkte ergattern kann. Nach der Matura können sie zwar nichts, aber davon wird an den Universitäten mittlerweile sowieso schon ausgegangen. Daher: Weg mit der lästigen Prüfung, die nur zu Stress und Neid führt. Am Ende aller Schuljahre bekommt jeder Schüler einfach ein Diplom mit einem „Daumen hoch“-Zeichen. Er hat dann fünf Jahre hinter sich, in denen er keine Note unter acht bekommen hat und ihm ununterbrochen die schönsten Kompetenzen bescheinigt wurden – er kann also der harschen Realität der Arbeitswelt mit einem tollen Selbstbewusstsein entgegentreten. Und dann kann sich ja getrost die Spreu vom Weizen trennen. Wenigstens ist dann nicht mehr die Schule schuld.
Dies also meine Vorschläge für eine effizientere Schulreform. Wenn sie konsequent durchgezogen wird, sind Schulen endlich kuschelige Aufbewahrungsstätten für Kinder und Jugendliche mit einem großen Wohlfühlfaktor, an denen Menschen arbeiten, deren Lebenstraum das Ausfüllen von Vordrucken ist. Gelernt wird da freilich nicht mehr viel. Aber das können wir ja getrost dem Leben überlassen. Das ist bekanntlich die beste Schule.