Sie verkehren ja angeblich im Halbstundentakt, sie sind elegant, modern, bunt und bequem, und wenn von ihnen die Rede ist, brechen Landespolitiker in Begeisterungsstürme aus. Aber wenn wir ganz ehrlich sind: Wer fährt schon wirklich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Südtirol? Die Antwort ist einfach: ich.
Ist es Ihnen schon einmal aufgefallen? Chefchirurgen fahren nicht mit dem Autobus. Bankdirektoren ebenfalls nicht. Auch Rechtsanwälte oder andere Anzug- und Krawattenträger sieht man in den „Öffis“ selten. Verständlich. Diese Leute sind ja auch wichtig. Die haben nicht Zeit, wertvolle Stunden ihres Lebens mit dem Warten auf verspätete Züge zu vertändeln. Ganz im Gegensatz zu mir. Einen guten Teil meiner Zeit verbringe ich in wogenden Menschentrauben an Bushaltestellen und Bahnsteigen, oder ich stehe in überfüllten Bussen, die im Stau stecken, während irgendwo auf einem der vorderen Sitze ein Kind herumquengelt, dass es „ganz dringend muss“. Ich mache das nicht aus professionellem Interesse an menschlichen Zuständen, sondern aus Überzeugung. Lange genug hat man uns ja beigebracht, dass Autofahren böse und Parkplatz in den Städten knapp ist. Ich möchte es auch fast glauben. Und so liegt es mir fern, als Miesmacherin aufzutreten und Missstände anzuprangern. Vielmehr möchte ich ein paar Vorschläge unterbreiten, wie man unsere öffentlichen Verkehrsmittel noch ein wenig attraktiver machen könnte.
Szenario eins: Goldener Herbst in Südtirol – alle Jahre wieder ein atemberaubendes Naturschauspiel: Die Äpfel prangen rot, die Astern flammen prachtvoll, und auf den Straßen des Vinschgaus bricht der Verkehr zusammen. Stoßstange an Stoßstange schieben sich die Autos voreinander her, Busfahrpläne haben höchstens noch symbolischen Charakter („irgendwann zwischen 15h und 16h wird dann schon einer vorbeikommen“), und wer im Zug noch einen Stehplatz mit erträglicher Atemluft ergattert, weiß: Es ist ein guter Tag. Denn das sind wir ja schon gewohnt: die öffentlichen Verkehrsmittel funktionieren im Herbst einfach nicht, das liegt in der Natur der Sache. Was soll man auch machen, wenn zugleich mit den Touristenströmen auch noch die Schule losgeht? Den Schulen ist seltsamerweise nicht beizubringen, ihren Unterricht nach Fahrplankapazitäten gestaffelt anfangen zu lassen, und welcher Hotelier hat schon den Mut, seinen Gästen mitzuteilen, dass sie gefälligst dann zur Bushaltestelle gehen sollen, wenn das sonst kaum jemand tut, also zum Beispiel um halb sechs Uhr morgens. Deswegen würde es auch nichts nützen, wenn ich hier tränenreiche Appelle an Verantwortliche senden würde, wenn ich von paradiesischen Zuständen in der Schweiz, Japan oder auf dem Mars faseln oder in einem sozialrevolutionären Anflug alle Touristen auffordern würde, ihren Unmut endlich nicht mehr an mir, der unschuldigen Mitreisenden, die den letzten Stehplatz im Bus erwischen konnte, ehe sich vor den zwanzig anderen Wartenden die Türen schlossen, auszulassen, sondern an denen, die nur die Achseln zucken und etwas von fehlender Rentabilität murmeln. Nein, ich habe einen Lösungsvorschlag für die Herbstmisere, und vielleicht stößt er ja bei einem Touristiker auf Interesse. Es gibt in Südtirol nämlich ein Verkehrsmittel, das prachtvoll funktioniert und scheinbar das einzige ist, das noch ausbaufähig ist: die Seilbahn. Zuverlässig und unermüdlich bringt sie Wanderer und Skifahrer winters wie sommers in die Höhen, in die entlegensten Almen wird sie hineingebaut, sie besteht jede Umweltverträglichkeitsprüfung und hat offenbar keine Rentabilitätsprobleme. Endlich ist das Vinschger Verkehrsproblem gelöst: Mit einer eleganten Staffel von Umlaufbahnen könnten zukünftig Pendler, Schüler, Touristen romantisch über Apfelhainen schwebend an ihr Ziel geschaukelt werden. Mit einem flotten Überbegriff (ich denke da an „Apple Ropeway Adventure“) wird das garantiert ein Renner.
Szenario zwei: Neulich war ich bei meinem Hausarzt in Karthaus im Schnalstal. Ich lebe in Rabland, die Fahrt nach Schnals dauert mit dem Auto circa eine halbe Stunde. Zwar hätte mein Hausarzt auch eine Praxis in Naturns, aber seine Ordinationszeiten kollidieren so ungünstig mit meinem Stundenplan, dass ich den weiteren Weg auf mich nehmen musste. Ich bin dabei – ich gestehe – mit dem Auto gefahren, da die Verkehrsverbindungen ins Schnalstal überaus schwierig sind. Im Wartezimmer haben sich zwei ältere Frauen über ihre Gesundheit unterhalten und darüber, wie sie demnächst nach Meran fahren müssten, um gewisse Untersuchungen vornehmen zu lassen. Eine solche Unternehmung kann, wenn man nur von öffentlichen Verkehrmitteln abhängig ist, durchaus zum Tagesausflug werden. Aber ich sehe das positiv: Für die älteren Damen ist eine Abenteuerfahrt nach Meran bestimmt eine willkommene Abwechslung in ihrem tristen Alltag. In Zukunft können sie dieser Abwechslung noch öfter entgegenblicken, denn wenn erst die Sanitätsdienste so verteilt sind, wie das nichtautobusabhängige Experten derzeit austüfteln, dann können die Reiseagenturen bald Zwei-Tages-Kurztrips zur Hautkrebsprävention oder Nierenwaschung anbieten.
Allerdings hätte ich noch eine Anregung: Könnte man in jener glorreichen Zukunft die Busse nicht entsprechend umgestalten? Man könnte zum Beispiel den Fahrgästen eine „Roadtrip-Guide“ aushändigen und sie mit den schönsten Hits unserer volkstümlichen Schlagerszene beschallen. Dazu außen noch die Aufschrift „Event-Coach“ (wer’s Deutsch mag: „Erlebnisschlitten“), und schon wird aus dem verlorenen Tag ein gewonnener. Ansätze dazu gibt es ja schon. So hatte ich letzthin das Vergnügen, mit einem Busfahrer mitzufahren, der offenbar eine zweite Karriere als Standup-Comedian anstrebt. Im Nu wurden aus zwanzig Minuten Fahrtzeit gefühlte zwei Stunden. Und da soll noch einer behaupten, man kriegte für sein Geld heutzutage nichts mehr geboten.
Zuletzt hätte ich noch einen Vorschlag für einen knackigen Slogan, mit dem man unsere Öffis bewerben könnte: „Alpine Mobilness – die Richtung stimmt.“ Denn das zumindest ist ein Versprechen, das fast immer eingelöst wird.